Aus der Geschichte der Stadt Oelsnitz - Ein historischer Überblick
 
 
Die Stadt Oelsnitz/Erzgeb. im sächsischen Erzgebirgskreis führt zur Unterscheidung von der gleichnamigen vogtländischen Stadt den Zusatz "im Erzgebirge". Sie liegt am Fuße dieses deutschen Mittelgebirges, ihr Untergrund gehört jedoch geologisch zur Schichtenfolge des Erzgebirgischen Beckens mit eingelagerten Steinkohlenflözen aus der Karbonzeit in der Tiefe.
 
Der unter den mächtigen Deckschichten des Rotliegenden verborgene wertvolle Bodenschatz war die Grundlage für die Entstehung und Entwicklung des Oelsnitz-Lugauer Kohlenreviers in den Jahren 1844 bis 1971.

Die Landschaft um Oelsnitz ist gebirgig und abwechslungsreich. Die Stadt wuchs aus der einst dörflichen Enge des Hegebachtales an mehreren Stellen hinaus.
Ihre Höhenlage reicht von 330 bis 480 m. Die höchste Erhebung in der Stadtflur bildet die Haldenkuppe des Deutschlandschachtes mit 491 Metern. Oelsnitz war schon seit der Besiedlung im 12. Jahrhundert durch hauptsächlich aus Franken und Thüringen kommende Bauern größer als die Dörfer in der Nachbarschaft. Der slawische Ortsname, der eine Siedlung am Erlenbach bedeutet, stammt vermutlich von Stämmen der Sorben, die im sächsischen Vorland siedelten. Da sie in der Oelsnitzer Gegend nicht sesshaft waren, verwandten sie ihn als Orientierungsnamen. Im Jahr 1212 nennt eine markgräfliche Urkunde einen Ritter Rembertus de Oelsnitz. 1386 wird ein Zins des Grafen von Hartenstein, der zugleich Burggraf von Meißen war, in Oelsnitz "an der Straße" vermerkt. Der Ort ist demnach zur Zeit der Kolonisation des deutschen Ostens als großes Reihendorf an einem jener "böhmischen Steige" angelegt worden. Dieses war mit umfangreicher Waldhufenflur, mit Rittersitz der Herren von Oelsnitz, einem Vasallengeschlecht niederen Adels, mit Gutshof und ursprünglich drei Vorwerken, eine frühdeutsche Befestigungsanlage. Sie durchquerte schon in vorkolonialer Zeit das Gebirge und den ihn bedeckenden dichten Miriquidi-Urwald.

 

Bereits in der ersten Zeit war das Dorf in Grundherrschaften zersplittert. Ursachen sind in verschiedenen Siedlerströmen, friedlichem wie kriegerischem Gebietserwerb und in frommen Schenkungen an das erzgebirgische Zisterzienserkloster Grünhain zu suchen. Es gab vier solcher Anteile: einen sächsisch-höfischen des Landesherrn, einen schönburgischen, einen wildenfelsischen und einen grünhainischen Anteil mit sehr unterschiedlichen Jurisdiktionen. Nach der Leipziger Teilung in das albertinische und ernestinische Sachsen unterstand Oelsnitz von 1485 bis 1547 sogar zwei verschiedenen Landesherren. So war damals manchmal das Nachbargehöft schon "Ausland". Erst 1839 sind durch die sächsische Landgemeindeordnung die Anteile zu einem dörflichen Gemeinwesen vereinigt worden.

Das Rittergut mit dem sächsisch-höfischen Anteil des Dorfes wurde schönburgisch-hartensteinisches Eigentum im Jahre 1584 und blieb im Besitz dieser, in der Hauptlinie 1790 in den Fürstenstand erhobenen Adelsfamilie, bis 1945 mit einer Unterbrechung in der Zeit von 1675 bis 1704, als die schlesischen Grafen von Promnitz das Rittergut besaßen.
Die Jahrhunderte brachten dem Ort und seinen Bewohnern durch Krieg und Pest, durch Misswuchs und Hunger viel Leid. Die Oelsnitzer waren bekannt wegen ihrer freiheitlich-demokratischen Gesinnung, die sich im Bauernkrieg 1525, in vielen Frontstreitigkeiten vom 17. bis ins 19. Jahrhundert und in den Revolutionstagen 1848/49 oft sehr stürmisch äußerte. Seit dem 16. Jahrhundert waren im Dorf neue Bevölkerungsschichten entstanden: Kleinbauern, hier auch Gärtner genannt, die Häusler, die Hausgenossen und Tagelöhner. In der Dorfmitte, besonders an der Herren- und der Mittelgasse reihten sich kleinere Fachwerkhäuser in Umgebindebauart aneinander. Auf der Grundlage des heimischen Flachsanbaues und der Schafhaltung auf dem Gutshof entwickelte sich das textile Hausgewerbe des Spinnens, des Webens und Wirkens.

 

 

Oelsnitz wurde zum Sitz verbreiteter Innungen der Weber und Wirker sowie der Weltfirma der Gebrüder Meinert, die als Verleger, Manufakturbesitzer und Großkaufleute auftraten. In der Mitte des vorigen Jahrhunderts begann jedoch für das Dorf ein völlig neuer Abschnitt der wirtschaftlichen Entwicklung. Nach einem Zufallsfund von Steinkohle unmittelbar an der Erdoberfläche im Jahre 1831 förderte der Zwickauer Bergfaktor Karl Gottlob Wolf im Januar 1844 die erste Kohle aus einer Tiefe von neun Metern. Damit begann die wechselvolle Geschichte des Kohlenreviers.

Während die ersten Jahrzehnte gekennzeichnet waren vom primitiven Abbau in geringer Tiefe durch Grundbesitzer und kleine Gesellschaften im Raum zwischen Oelsnitz, Lugau und Niederwürschnitz, setzte die erste Gründerzeit mit größeren Unternehmen um 1855 ein. Schließlich entstanden 1871 in der sogenannten Hauptgründerzeit viele tiefe Schächte in und um Oelsnitz selbst. Der Abbau verlagerte sich in die Beckenmitte bis zu 1000 m Tiefe. Nach 1900 konzentrierte sich der Kohlenbergbau in zwei großen Kapitalgesellschaften, den Gewerkschaften Deutschland und Gottes Segen, zuletzt im Vereinigten Steinkohlenwerk Oelsnitz. Die Arbeit der Kumpel in den tiefen und stellenweise sehr heißen Schächten war hart und gefahrvoll. 1971 wurde die Förderung wegen Erschöpfung der Lagerstätte eingestellt. Heute erinnern nur noch die Reste der Übertageanlagen, die inzwischen bewaldeten Halden und alte Namen an die früheren Schachtstandorte. Der ehemalige Kaiserin-Augusta-Schacht ist zu einem sehenswerten Bergbaumuseum umgestaltet worden mit vielen Zeugen aus der Bergbauzeit im Originalzustand.

In der Blütezeit des Bergbaus wuchs Oelsnitz unaufhörlich durch den Zuzug aus vielen deutschen Gegenden und sogar aus dem Ausland, so aus Böhmen und aus Italien. 1924 wurde der Ort als größtes sächsisches Dorf zur Stadt erhoben und erreichte später eine Einwohnerzahl um die 20 000. Durch das stürmische Wachstum entstand ein uneinheitliches Stadtbild, das bei Besuchern oft Verwunderung auslöst. Die alte Dorfstruktur ist noch zu erkennen, und das Zentrum weist Lücken auf, entstanden durch die vom Bergbau verursachten Senkungen und Abrisse, aber auch durch Bombenschäden des Jahres 1945. Die Beendigung des Bergbaus führte zu einer rückläufigen Tendenz der Einwohnerzahl.
Das Wappen der Stadt ist senkrecht geteilt, rechts ein Bergmann in Tracht mit "Gezäh" (Werkzeug), links "redend" für die slawische Herkunft des Ortsnamens drei Erlen. Die weiß-grünen sächsischen Landesfarben und die rot-weißen Stadtfarben sind darin enthalten. Die Beschreibung des Stadtwappens entspricht den Regeln der Heraldik. Die Begriffe "rechts" und "links" sind in der Heraldik immer vom Standpunkt des gedachten Trägers des Wappens zu verstehen.
Am 01. Januar 1999 wurde Neuwürschnitz als Ergebnis der Gemeindegebietsreform Ortsteil von Oelsnitz/Erzgeb.
Bis Ende des 18. Jahrhunderts war Neuwürschnitz ebenso wie Oelsnitz durch landwirtschaftliche Bewirtschaftung geprägt. Die damaligen Ortsteile Neuwiese und Oberwürschnitz stellten die Hofarbeiter für das Rittergut Oelsnitz. Auch die Strumpfwirkerei und Leineweberei entwickelten sich parallel. 1934 entstand der Ortsteil Neuwürschnitz durch die Zusammenlegung der selbständigen Gemeinden Neuwiese und Oberwürschnitz.

 

Entstehung und Gründung

Der Name Oelsnitz, ursprünglich ein Flur- bzw. Gewässername, ist etwa 1000 Jahre alt. Er entstand vermutlich als Orientierungsname slawischer Sorben, die damals das vom Urwald des "Miriquidi" bedeckte und noch unbesiedelte Erzgebirge zum Zwecke der Jagd, des Fischfangs und des Handels besiedelten. Ins Deutsche übertragen bedeutet Oelsnitz so viel wie "Ort am Erlenbach" und geht auf das altsorbische Wort Olesnica zurück.

Es mag im letzten Viertel des 12. Jahrhunderts, also vor rund 800 Jahren gewesen sein, als eine Schar deutscher Bauern mit ihren Familien, aus Franken und Thüringen kommend, das von Waldwildnis gesäumte Tal des Erlenbachs erreichten. Als Dorf wird Oelsnitz erstmalig in einer Urkunde von 1386 genannt, als Kirchort bereits 1286. Die schon in früherer Zeit urkundlich belegte Aufteilung in verschiedene Grundherrschaften lässt vermuten, dass die Höfe nicht in einem Zuge entstanden sind. Durch verzwickte Lehnsverhältnisse war Oelsnitz wie kaum ein anderer Ort Sachsens zersplittert gewesen, bis es 1592 unter schönburgischer Herrschaft vereinigt wurde.

 

Bauernkrieg und Reformation

 
Um 1500 hatte sich die Lage der Bauern gegenüber der Zeit der Besiedlung drastisch verschlechtert. Auch die Oelsnitzer fühlten sich von ihren weltlichen und geistlichen Feudalherren unterdrückt und ausgebeutet. Die reformerischen Gedanken eines Martin Luther oder eines Thomas Müntzner drangen in das Dorf Oelsnitz. Überall herrschte Unzufriedenheit. Im Mai 1525 erhielt Herzog Georg von Meißen eine Nachricht, dass ein etwa 3000 Mann starkes Bauernheer vor Oelsnitz stünde. Der Herzog schlug diesen Aufstand blutig nieder. Die Reformation vollzog sich durch die Zersplitterung des Dorfes in den einzelnen Ortsteilen unterschiedlich. Mit ihr kam es zu einem umfangreichen Besitzwechsel, der mit der Herrschaftsübernahme der Schönburger endete.
 
 
Dreißigjähriger Krieg
 
 
 
Der große Krieg von 1618 bis 1648 verschonte das Dorf Oelsnitz nicht, aber es kam glimpflicher davon, als die Orte, die unmittelbar an Heeresstraßen lagen. Zunächst war vom Krieg wenig zu spüren. Aber es gab die ersten Truppendurchmärsche, lästige Einquartierungen und freche Forderungen der Soldaten. Auch die gefürchtete Pest trat schon vereinzelt auf. In unmittelbarer Umgebung von Oelsnitz fanden die ersten Feindseligkeiten im Jahre 1623 statt. In Zschocken wurde das Vorwerk niedergebrannt und auch die Oberoelsnitzer Bauern wurden von Plünderern heimgesucht. Schlimme Kriegsjahre waren 1631/32 und vor allem 1633 mit dem Höhepunkt der Pestseuche. 1634 hausten erst-mals schwedische Einheiten im Dorf. Die Truppen des Generals Königsmarck zerstörten 1640 das Oelsnitzer Rittergut völlig. Später wurde es wieder aufgebaut. Der Krieg löste sich in den letzten Jahren vor Friedensschluss immer mehr in Streifzüge marodierender und mordender Soldaten auf.
 
 
Ereignisse zwischen 1700 und 1831
 
um 1700 Die Oelsnitzer Rittergutsherrschaft teilt am Steinhübel ein Gelände in Parzellen für neue Siedler auf. Es entsteht der Ort Neuwiese.
1724 Das alte Gotteshaus wird abgerissen udnd eine neue Kirche wird gebaut.
1740 Ein Vertrag zwischen dem Kurfürsten und den Schönburgern wird geschlossen, welcher deren Souveränität regelt. Seit dieser Zeit wird zwischen den Lehns- und Rezessherrschaften (Waldenburg, Lichtenstein, Glauchau und Hartenstein) unterschieden.
1756 - 1763 Der Siebenjährige Krieg bringt Not und Leid über die hiesige Bevölkerung: Truppendurchmärsche, Plünderungen, Gefechte, Zwangsrekrutierungen, hohe Geld- und Naturalienforderungen.
In der Nähe von Oelsnitz gab es vier bedeutende Kriegsereignisse:

1758: Gefechte westlich von Oelsnitz. Preußische Truppen verlangen Lebens- und Futtermittellieferungen für ihre Magazine in Zwickau und Lichtenstein.

1760: Preußische Truppen drängen in der Gegend Einheiten der Reichsarmee, bestehend aus Österreichern und Sachsen, zurück.

1761: Die im Winterquartier lagernden Österreicher ziehen im Mai ab. Viele Bauern müssen spannen und kommen erst im September wieder nach Hause. Dabei schleppen sie die Viehseuche ein.

1763: Am 21. Mai findet aus Anlass des zu Hubertusburg geschlossenen Friedensvertrages ein Friedensfest in der Oelsnitzer Kirche statt.
1787 Gründung der Strumpfwirkerinnung in Oelsnitz.
1797 Abschaffung der unrentablen Frondienste in Oelsnitz.
1806 Durch die Einquartierung von sächsischen und bayrischen Truppen nach der Schlacht bei Jena und Auerstedt wird die Gemeinde Oelsnitz finanziell stark belastet.
1808 Das Textilgewerbe blüht durch die von Napoleon verhängte Kontinentalsperre gegen England in der Region um Oelsnitz auf. Die Handelsfirma Meinert wird gegründet.
1809 - 1811 Starke Konzentration französischer Truppen in der Gegend zur Vorbereitung des Feldzuges gegen Russland. Forderungen von Schlachtvieh, Weißbrot, Butter, Pferdefutter u.v.m. können kaum erfüllt werden. Außerdem werden viele Männer für Napoleons Heer rekrutiert.
1813 Reste der in Russland geschlagenen Truppen Napoleons ziehen sich im Frühjahr durch die hiesige Gegend zurück. Im Sommer werden russische Truppen in Oelsnitz stationiert. Nach der Völkerschlacht bei Leipzig müssen in der Stadt 136 leichtverwundete Soldanten versorgt werden. Es kommt zu einer ständigen Einquartierung und zu Forderungen nach Geld und Nahrungsmitteln.
1831 Der fürstliche Forstbeamte Friedrich Heinrich Wey stellt in einem Graben an der Stuth auf der östlichen Dorfflur eine Steinkohlenschicht fest. Damit kündigt sich ein neuer Abschnitt in der Ortsgeschichte an.
 
Vereinigung zu einer Gemeinde

Am 31. Juli 1839 erfolgte die Vereinigung der bis dahin drei Oelsnitzer Gemeinden zu einem einheitlichen Gemeinwesen. An diesem Tag wählten die stimmberechtigten Männer des Ortes, die vier Besitzklassen angehörten, den Gemeindevorstand. Erster Oelsnitzer Gemeindevorstand wurde der Bauer und Strumpfwirkermeister Johann Gottfried Kretschmar. Bis 1874 besaß Oelsnitz kein Gemeindeamtshaus. Erst dann wurden einige Räume in einem Haus in der Ortsmitte gemietet, bis 1877 die frühere Mädchenschule am heutigen Rathausplatz zu Verwaltungszwecken ausgebaut wurde.

 
Bau des Rathauses
 
Die wachsenden Verwaltungsaufgaben der großen Landgemeinde Oelsnitz erforderte den Bau eines Rathauses, den der Gemeinderat 1894 nach langer Debatte zustimmte. Am 28. August 1894 erfolgte dann der erste Spatenstich. Am 19. Oktober desselben Jahres wurden in den Grundstein örtliche Dokumente der Zeit versenkt. Der rote Ziegelbau wurde mit altdeutschen Stilelementen errichtet und am 15. Oktober 1895 eingeweiht.

 

Revolution 1848

Oelsnitz war 1848/49 Schauplatz revolutionären Geschehens, das wegen der Zugehörigkeit zu den schönburgischen Herrschaften ganz spezifische Züge trug. Von 1840 bis 1846 fanden in Oelsnitz hartnäckige Verhandlungen über die Ablösung der letzten alten Feudallasten statt. Besonders drückend empfanden die Kleinbauern, Häusler und Hausgenossen die Verpflichtung zur Lieferung des Zinshafers und die Erhebung mannigfaltiger Gebühren. Ab 1847 litt die Wirtschaft unter einer allgemeinen Krise. Durch den aufkommenden Fabrikbetrieb ging es mit dem Hausgewerbe der Weber und Wirker ständig bergab. Dazu kamen 1847 eine schlimme Missernte, die eine Verknappung und Verteuerung der Lebensmittel verursachte. Die Menschen im Ort wurden immer unzufriedener und unruhiger. In dieser schwelenden Unzufriedenheit schlug wie ein zündender Funke im Frühjahr 1848 die Kunde vom Ausbruch der französischen Februarrevolution ein. In der Gegend kursierte bald das Gerücht, der aus dem revolutionären Wien geflohene Kanzler Metternich halte sich im Schloss Lichtenstein verborgen. Auch Oelsnitzer zogen nun zum Schloss, aber der verhasste Kanzler konnte nicht gefunden werden. Am 26. Mi 1848 beschloss eine Versammlung die Absendung von schriftlich formulierten Forderungen an den Fürsten. Der Fürst antwortete am 3. April mit der Abschaffung des Zinshafers. Alle anderen Forderungen blieben jedoch unerfüllt. Deshalb kam es am 5. April zu einer politischen Kundgebung in Waldenburg, an der sich auch Oelsnitzer Bürger beteiligten. Im Juni/Juli 1848 wurde Oelsnitz von einer Infanteriekompanie besetzt und das revolutionäre Aufbegehren fiel relativ rasch zusammen. Zur Unterstützung der Barrikadenkämpfe 1849 in Dresden gab es im Ort schon keine Resonanz mehr.

 

Die Oelsnitzer Schächte

Nach der ersten Welle von Schachtgründungen ab 1844 verlagerte sich der Abbauschwerpunkt in den folgenden Jahren in den Raum Lugau und Niederwürschnitz. Für die Oelsnitzer Bergbaugeschichte begann 1857 mit der Teufe des in der Mitte der Ortsflur gelegenen Hedwigschachtes ein neues Kapitel. Es wurde die Oelsnitzer Bergbaugesellschaft gegründet, die Grubenfelder erwarb und den Hedwigschacht teufen ließ. Die Hauptgründerzeit des hiesigen Bergbaus wurde 1869 durch die Teufe des Kaiserin-Augusta-Schachtes (heute: Bergbaumuseum) eingeleitet. Nach 1871 entstanden dann in rascher Folge mehrere Steinkohlenbauvereine als Aktiengesellschaften. Durch ihre Schachtanlagen auf Oelsnitzer Ortsgebiet konnten die in größerer Tiefe lagernden Kohlen abgebaut werden. Oelsnitz ist dadurch zum Mittelpunkt des Kohlereviers geworden. Unweit vom Dorfzenturm legte 1871/72 der Steinkohlenbauverein Deutschland die Schächte I und II an. Auf der südlichen Talseite gegenüber teufte das Steinkohlenwerk Vereinsglück zwei Schächte. In Niederoelsnitz entstand 1871 auf freiem Feld eine Doppelschachtanlage des Steinkohlenbauvereins Concordia. Im gleichen Jahr erhielt der Hedwigschacht der Oelsnitzer Bergbaugesellschaft die Schwestergrube Friedensschacht. Der 1871 in Oberoelsnitz geteufte Frisch-Glück-Schacht galt 1876 mit einer Tiefe von 931 Metern und damit 471 Metern unter dem Meeresspiegel, als tiefster Kohleschacht der Welt. Unter den vom Bergbau verursachten Schäden leidet die Gemeinde noch heute. Vor allem der Ortsteil Niederoelsnitz ist von starken Senkungen betroffen.

 

Oelsnitz wird an das Eisenbahnnetz angeschlossen

Sehr früh (1858) wurde bereits die Eisenbahnstrecke "Chemnitz-Würschnitzer-Kohle-Bahn" bis Lugau in Betrieb genommen. Ab 1862 beförderte sie auch Personen und Gepäck. 1877/78 ist die durch zahlreiche Brückenbauten aufwendige Strecke von St. Egidien über Oelsnitz nach Stollberg gebaut worden, die an der Station Höhlteich Anschluss an die Linie nach Wüstenbrand erhielt. Am 15. Mai 1879 wurde auf dieser Strecke der Personenverkehr aufgenommen.

Mit der Verlagerung des Abbaus in die Mitte des Kohlebeckens konzentrierte sich nach 1871 der Kohleversand zum Hauptbahnhof Oelsnitz, der um 1900 über einen Rangierberg, 30 Gleise und 58 Weichen verfügte, weshalb auf ihm 42 Beamte und 108 Arbeiter tätig waren. Von hier aus führten Zechenbahnen zu den Schächten Vereinigtfeld, Ida und Helene in Hohndorf, zu Merkur, Pluto und Kaisergrube in Gersdorf, zum Hedwig-, Friedens- und Concordia-schacht in Oelsnitz, sowie von Mittel- bzw. Neuoelsnitz aus zu Vereinsglück- und Kaiserin-Augusta-Schacht. Damals besaß das Kohlenrevier das engmaschigste Eisenbahnnetz Mitteleuropas mit starkem Personen- und Güterverkehr.

 

Oelsnitz nach der Jahrhundertwende

In den Jahren von 1900 bis zum Kriegsausbruch 1914 vollzog sich in Oelsnitz eine stetige Aufwärtsentwicklung. Die Steinkohleförderung im Oelsnitz-Lugauer-Revier erreichte ihren höchsten stand. Im Jahre 1910 wurden hier bei einer Gesamtbelegschaft von 11.500 Mann, insgesamt zwei Millionen Tonnen Kohle gefördert. Am 2. September 1899 leuchteten erstmals 160 elektrische Straßenlampen in Oelsnitz. 1900 entstand an der Bahnhofstraße das "Erzgebirgische Elektrizitätswerk" der Dresdner Firma "Elektra", betrieben mit der Kohle vom benachbarten Deutschlandschacht. Das Kraftwerk versorgte Oelsnitz und 19 weitere Ortschaften mit elektrischer Energie. Der durch die Steinkohle erworbene Wohlstand wurde auch im Stadtbild sichtbar. Es entstanden im Ortsinneren Geschäftsstraßen mit lockender Warenvielfalt in den Schaufenstern und einem nahezu großstädtischen Angebot. 1904 wurde von den jüdischen Kaufleuten Simon und Salman Schocken ein Kaufhaus eröffnet, das zu dieser Zeit mit 800 Quadratmetern Verkaufsfläche das größte sächsische Warenhaus auf dem Lande war.

 

Oelsnitz in der Zeit des 1. Weltkrieges

In den letzten Julitagen 1914 versammelten sich täglich an jedem Morgen viele Menschen vor den Druckereien beider Lokalzeitungen, um die neuesten Nachrichten über die angespannte politische Situation zu erfahren. Bereits am 27. Juli erhielten die ersten Männer österreichischer Staatsangehörigkeit ihre Stellungsbefehle zu den Truppenteilen. Nach der Mobilmachung am 1. August kam es auf dem Oelsnitzer Bahnhof zu wehmütigen Abschiedsszenen zwischen den eingezogenen Reservisten und den zurückbleibenden Familienangehörigen und Freunden, aber auch zu patriotischen Ansprachen und Gesängen. Viele Oelsnitzer Bürger ließen sich zu Kriegsbegeisterung und Siegeszuversicht hinreißen. Zur allgemeinen Aufregung trugen Gerüchte bei, dass eine Autokolonne mit einem Goldtransport von Frankreich nach Russland, durch die hiesige Gegend unterwegs sei. Wichtige Punkte wurden von Polizei und bewaffneten Einwohnern bewacht. Die Überzeugungen von einem kurzen, siegreichen Krieg wurden durch eintreffende Siegesmeldungen genährt, welche mit Glockengeläut, Böllerschüssen und Beflaggung gefeiert wurden. Aber bald kehrte Trauer ein. Im Septemberdes selben Jahres erschienen Gefallenenanzeigen in der Ortszeitung in schier endloser Reihe. Gegenüber anderen Orten wiesen die Tage des Weltkrieges in Oelsnitz einige Besonderheiten auf. Wegen dem für die Rüstungsindustrie kriegswichtigen Bergbau war hier die Zahl der Zurückstellungen vom Militär größer als anderswo. Ab 1915 wurden im hiesigen Bergbau in großem Maße Kriegsgefangene, auch bei Arbeiten unter Tage, eingesetzt, um den durch Einberufungen verursachten Förderrückstand zu vermindern. Zeitweise waren es über 2000 gefangene Russen, Franzosen, Engländer, Italiener und Serben, die zum Teil in Lagern an den Schächten untergebracht waren. Am 15. Februar 1915 wurde die Lebensmittelrationierung eingeführt. Die Zuteilungen verringerten sich aber von Monat zu Monat. 1918 erreichte die Ernährungslage im Ort ihren Tiefpunkt. Die Folge davon waren Unterernährung und Grippe-Epidemien, die viele Todesopfer forderten. Im Dorf war die Begeisterung für den Krieg verflogen. 1917 bis 1918 kam es immer wieder zu Antikriegsdemonstrationen und auch unter den Bergleuten wuchs die Stimmung gegen den Krieg. So kam es zu Arbeitsverweigerungen, mit denen die Kumpel höhere Löhne und eine bessere Versorgung forderten.

 

Als die Waffen am 11. November 1918 endlich schwiegen, waren in Oelsnitz und dem zur Kirchsparochie gehörenden kleinen Ort Neuwiese 523 Gefallene zu beklagen. Ihnen zu Ehren wurden Gefallenendenkmäler mit ihren Namen errichtet, die an die Schrecken und die Grausamkeit des Krieges erinnern sollen. Am 15. November 1918 wählte die Einwohnerversammlung den örtlichen Arbeiter- und Soldatenrat. Bei den Wahlen zur Nationalversammlung am 19. Januar 1919 und den folgenden Landtags- und Gemeinderatswahlen erzielte die SPD im Ort hohe Wahlsiege. Zum ersten Mal durften auch Frauen wählen.

 

1924 wird Oelsnitz Stadt

Die Wirren der Nachkriegszeit verhinderten zunächst die Bestrebungen der größten sächsischen Landgemeinde das Stadtrecht zu erhalten. Oelsnitz erlebte schlimme Jahre zwischen 1904 und 1924 mit mehreren Massenstreiks und militärischen Besetzungen, dem Grubenunglück von 1921 und der Inflation. Damals wurde Oelsnitz, als Gemeinwesen stark gebeutelt und geriet in tiefe Schulden. Bergbauschäden ruinierten den Ortskern und zwangen zum Abriss ganzer Häuserzeilen. Im Gemeinderat vertieften sich die politischen Auseinandersetzungen. So traf die frohe Botschaft der Stadtrechtsverleihung den Ort und seine Bewohner in einer schwierigen Lage. Erster Bürgermeister wurde der bisherige Gemeindevorstand Kammerat Beck, der dieses Amt jedoch nur wenige Tage bekleidetet. Er ging in Pension und sein Nachfolger wurde der in Kassel geborene Dr. Ruthard Schumann.

 

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